Kamille als Erweckungserlebnis
Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Die Bitte war einfach: ob ich mir im Rahmen des heurigen Kamillenteetests (KONSUMENT 11/2020) die dabei vorkommenden Labels anschauen könne. Ich war sofort Feuer und Flamme. Bekam einen großen Papiersack mit verschiedenen Kamillentees auf meinen Schreibtisch gestellt. Mit jeder Packung, die ich aus dem Sackerl nahm, wurde mein Gesicht länger. Ich sah aus als hätte ich schon drei Liter Kamillentee intus – meine Stimmung lag irgendwo zwischen schalem Trübsal und schmerzendem Magengeschwür. Kein Wunder. Ich hatte gedacht: Kamille. Wächst doch bei uns, was wird es da großartig geben: bio, meinetwegen Fair Trade für ausländische Kamille. Aber da lag ich meilenweit daneben. Die Zahl der Gütesiegel hat mich derart irritiert und enerviert, dass ich zur Beruhigung tatsächlich eine Tasse Kamillentee trinken musste. Am Heißgetränk nippend dachte ich mir: Wie naiv war ich eigentlich zu übersehen, dass man mit dem Kauf von Tee die Welt retten kann? Ich stürzte mich also in die heilsame Kraft der Kamille. Und lernte, dass man mit dem Kauf von simplen Kamillentee offenbar den Regenwald schützen, die Ausbeutung von Arbeitern verhindern und ja, sogar den ganzen Planeten retten kann.